Dieser Eintrag, den ich gerne mit Euch teilen möchte, ist ein ganz besonderer für mich. Es ist der erste einer ganzen Reihe. Der erste Gastartikel auf Der Stillzwerg, geschrieben von meinem Mann, aus Vätersicht.
Mein geliebter Sohn wird doppelt
entthront
„Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger“, sagte die
junge Gynäkologin. „Aber“, führte sie weiter aus, “ da ist noch etwas“. Ich hatte es mir gedacht. Schon beim ersten
Blick auf den Bildschirm hatte ich diesen Verdacht. Also für Männer ist das
Abbild der Gebärmutter samt Fötus ja relativ pragmatisch. Es ist so ein
bisschen steinzeitmäßig, was an unserer Rolle des Ernährers innerhalb der
Evolution liegen könnte. Höhle, dunkel, Baby. Soweit der Mann, soweit die
Theorie.
An jenem Tag stellte sich das Ultraschallbild als nicht ganz
so pragmatisch dar. Höhle, dunkel, linke Ecke ein Zellknäuel, rechte Ecke ein Zellknäuel.
Und jetzt Frau Doktor?! „Da ist noch
etwas“. Geht es ein bisschen präziser? „Zwillinge, vielleicht.“ Achso.
Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Oder nur ein bisschen Zwillinge? Vielleicht
bin ich nun auch ein bisschen verwirrt. Also eigentlich so richtig.
Die nette Gynäkologin hatte an diesem Tag keine
hundertprozentige „Diagnose“ für uns. Ob wir tatsächlich „doppelt schwanger“
sind, würden wir erst eine weitere Woche später erfahren. Dies war der
Startschuss für eine unfassbar gedankenschwere und nervenaufreibende Zeit.
Nach dem Ultraschall
kommt der Schock
Schwanger. Letztenendes ohne Zweifel gleich zweifach. Okay – meine Partnerin und ich hatten jetzt nicht
unbedingt etwas gegen die Entstehung einer Schwangerschaft unternommen.
Aber gleich doppelt? Das war schwere
Kost und kaum zu verdauen. Was für viele werdende Eltern einem Segen
gleichkommt war für uns, war für mich als Vater, zunächst einmal ein Schock.
Einem Vater kommen da zunächst einmal die klassischen
Fragen, Selbstzweifel und Ängste in den Sinn. Hat unser Haus genug Zimmer?
Reicht der bisherige Kleinwagen noch aus? Verdiene ich genug Geld um meine dann
nicht mehr ganz so kleine Familie zu ernähren? Können wir uns auch in Zukunft
noch etwas „leisten“ und können wir unseren Kindern noch etwas bieten? Allesamt
sicherlich mehr oder weniger „wichtige“ Gedanken.
Überstrahlt wurden diese Gedankengänge allerdings von viel
stärken Gedanken, Gefühlen und Ängsten. Auch heute noch. Was passiert
eigentlich mit unserem Sohn? Wie wird es für ihn sein, wenn die Zwillinge erst
einmal auf der Welt sind? Bislang war er der uneingeschränkte Mittelpunkt
unseres, ja meines Lebens. Mein Fixpunkt. Das mit Abstand Beste, was mir in
meinem Leben passiert ist, nach meiner Frau. Ohne jegliche Übertreibung.
Dementsprechend gestaltete sich seine bisherige Kindheit. Junior ist gerade 2
Jahre und zwei Monate alt. Also in Mütter-Sprache 26 Monate. Wenn die beiden
Zwillinge auf die Welt kommen, wird er fast genau 33 Monate alt sein. Und eben
genau diese 33 Monate wird Junior die absolute Nummer eins gewesen sein. So wie
sehnlichst herbeigewünschte Wunschkinder nun mal die absolute Nummer eins sind.
Heli Heli Helikopter
Ja, mein Sohn ist verwöhnt. Ein bisschen. Vielleicht. Ach
was, ganz sicher. Und das ist auch gut so. Kuchen essen gehen („Ja Papa,
Kuuuuuuuchen“), Schwimmen, Indoor-Spielplatz, Bauernhof samt Traktoren, Pferden
und Kühen, zusammen einkaufen gehen, im Garten rumtrollen, die eigenen Hühner
füttern, Eier sammeln, Drachen steigen lassen, Fußball spielen – am liebsten
alles zusammen am gleichen Tag. Jeden Tag. Auch wenn es ein bisschen nach Helikopter-Papa
klingt: Unsere Zeit ist so kostbar und durch die Arbeit sowie dem Alltag doch so knapp.
Gott sei Dank gibt es ja auch noch die tolle Mama. Aber die,
die muss bald geteilt werden. Also doppelt geteilt werden. Puh. Das stelle ich
mir echt schwer vor für so ein kleines Wesen. Mein Sohn wird gleich doppelt „entthront“ und
erfährt schon so früh eine Art erste „Lebenskrise“. Das tut weh - trotz aller
zwischenzeitlich riesigen Freude auf die eineiigen Zwillinge. Dieses so tolle
Kind, was unser Leben so bereichert, so maximal lebenswert gemacht hat, muss
zurückstecken und muss lernen nicht mehr uneingeschränkt die erste Geige in
unserem Leben zu spielen. Ich habe Angst. Nein, wir haben Angst. Sehr große
sogar.
Doppelentthronung als
Chance?
Wird mein Sohn, wenn die Zwillinge erst einmal auf der Welt
sind, viel weinen? Wird er sich, wenn er einmal zu Oma oder Opa geht,
zurückgewiesen fühlen? Was ist wenn wir einen Kita-Platz für ihn bekommen
sollten? Fühlt er sich dann gar abgeschoben? Den halben Tag nicht zu Hause sein
- eine lange Zeit für so einen kleinen Kerl. Eine verdammt lange Zeit ohne Mama
und Papa mit dem Wissen, dass an Mamas Brust, die ihn immerhin mehr als zwei
Jahre genährt hat, während dessen zwei andere Kinder hängen und betüddelt
werden. Und wie soll das eigentlich alles funktionieren, wenn Mama zwei Babys
zu versorgen hat und Papa arbeitet? Was macht das alles mit Junior und was löst
diese neue Situation aus?
Tief in meinem Inneren hoffe ich, dass mein geliebter Sohn
positive Dinge aus dieser Situation zieht. Dass es eine zusätzliche
Entwicklungschance für ihn ist, er daran wächst, sich weiter zu einer
selbstbewussten, tollen Persönlichkeit entwickelt und ein stolzer großer Bruder
der Zwillinge sein wird. Vielleicht wird er in einigen
Jahren einmal sagen, dass er sehr glücklich darüber ist nicht alleine durch die
Welt zu gehen und Familie ein wichtiger Punkt in seinem Leben ist, der ihm Halt
gibt. Ich wünsche es mir. Ich wünsche mir, dass meine Kinder glücklich sind,
dass sie Glück und Liebe erfahren. Das ist schon alles. Dann bin ich, dann sind
wir es auch.
Möchtet Ihr mehr solcher Beiträge, aus Vätersicht und geschrieben vom Vater, auf Der Stillzwerg lesen - wie hat Euch dieser Gastartikel gefallen? Lasst es mich wissen.