Wir gehen in die zweite Runde. Ihr habt Euch weitere Artikel aus Vätersicht gewünscht - hier ist er. Ein Gastartikel von meinem Mann, aus Vätersicht geschrieben.
Ich bin Björn, 32 und ein Helikopter-Vater. So könnte man es meinen. Und so werde ich sicherlich öffentlich als auch hinter der Hand genannt. Ja, ich gebe es zu. Ich bin ein Helikopter-Vater. Aber nur ein bisschen. Denn ich glaube von mir sagen zu können, dass ich eher die gesunde Form eines „klassischen“ Heli-Dads bin und nicht zu den extremen zähle.
Wenn ich an eine schöne, behütete und vor allem kindgerechte Kindheit denke, dann denke ich vor allem an Freies Spiel, an nicht enden wollende Nachmittage mit Freunden, ungebremstes Herumalbern, und Herumtrollen in der Natur. Man könnte die Liste beliebig weiterführen. Was mir jedoch nicht einmal im Entferntesten in den Sinn käme, wäre mein Kind mit endlosen „Verpflichtungen“ zu quälen. Montag Klavierstunden, Dienstag wahlweise Ballett oder Fußball, Mittwoch Geige und Donnerstag Frühenglisch. Die Liste der Grausamkeiten könnte ebenfalls beliebig ergänzt werden. Nur Verpflichtungen und keine Freizeit mehr.
Okay, das war jetzt zugebenermaßen ein Exkurs in die Extreme
des Helikopter-Kosmos. Aber fängt „Helikoptern“ nicht bereits schon im Kleinen
an? Warum darf ein Kind zum Beispiel keinen kleinen, schleimigen Regenwurm
obduzieren? Absolute Helikopter-Eltern, die Ihre Schützlinge womöglich noch in
den hippen frühkindlichen Naturwissenschaftskurs stecken würden anstatt vor die
Haustüre zu gehen, sehen darin höchstwahrscheinlich nur den Dreck, indem sich
der Wurm suhlt. All die Krankheitserreger. Igitt. Pfui.
Kriegsschau(Spiel)platz
Genau diese Eltern bekommen auch eine unfassbar hysterische
Panikattacke, wenn Junior auf dem Spielplatz mal eine Schippe Sand in den Mund
nimmt. Wie eklig. Diese Bakterien. Ach was, wahrscheinlich ist der Sand gar
verseucht und unglaublich toxisch, genau wie der Rasen auf dem man niemals Barfuß gehen darf. Nach dem Sand anfassen doch aber bitte die Hände mit einem Feuchttuch abwischen und all die fiesen Keime beseitigen. Viel gefährlicher sind eigentlich nur noch
diese gleichaltrigen, ebenfalls in die Windel machenden Individuen mit einer -
Achtung Ironie - angeborenen
Persönlichkeitsstörung und/oder ADHS, die dein Kind malträtieren, unterdrücken,
ihm das Schäufelchen und die Förmchen unter Gewaltanwendung abnehmen und so in
seiner Entwicklung massiv schaden.
Ich glaube ja, dass dahingehend was ganz anderes schädlich
ist. Diese Extrem-Helikopter. Diese Kampfhelikopter auf dem „Kriegsschauplatz“
Spielplatz. Jene Eltern, die lieber auf übelste Art und Weise jenes Kind
angehen, welches den Filius gerade von der Rutschleiter drängen will, anstatt
darauf zu setzen, dass sein Zweijähriger es schon schaffen wird, das ebenfalls
zweijährige, selbstverständlich "völlig verzogene Gör", in dessen Schranken zu weisen. Kinder müssen -
trotz der unglaublichen Begabung in punkto Vorbild und Nachahmung - Ihre eigenen Erfahrungen sammeln, diese durch
mehrmaliges Erleben einordnen und sich zunutze machen. Fürs Leben lernen. Und
das durch Erleben, nicht einzig durch Vorleben, Einschreiten und
Konventionieren.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?!
Doch wo bin ich jetzt ein Helikopter-Vater? Ich will in
punkto Kindheit und Erziehung einfach alles maximal perfekt gestalten. Ich
kümmere mich. Vielleicht zu viel. Ich feuere ihn an. Beim Schaukeln zum
Beispiel und beim Rutschen. Höher, weiter, schneller ist da die Devise. Das
hört sich dann fast schon an wie bei einem Fußballspiel meiner
Lieblingsmannschaft. Und ich rutsche mit. Ja, ich buddle auch im Sandkasten mit
und gebe mich als Bauleiter. Verrückt und für Außenstehende sicherlich manchmal
etwas verstörend. Wenn das nur alles
wäre. Ich trage meinen Sohn auf dem Arm, wenn er das will, obwohl er
längst laufen kann. Ich trage meinen Sohn in der Trage, wenn die Mutter mich denn auch mal lässt. Ich verwöhne ihn. Ich verhätschle ihn. Sogar nach Strich
und Faden. Ich habe - eigentlich ständig - Angst davor, dass ihm etwas
passieren könnte oder dass ihm irgendwas fehlt. Mein ständiges Fragen, ob es
ihm gut geht, ignoriert er bereits gekonnt. Das ist gefährlich. Also nicht das
Ignorieren. Eher meine Art. Für mich, mit meiner eigenen überzogenen Erwartungshaltung an mich selbst
und für meinen Sohn. Denn Junior ist „erst“ zwei und doch ertappe ich mich des
Öfteren dabei, wie ich merke, dass er klar signalisiert seine Ruhe haben zu wollen.
Noch macht er nur die ein oder andere Zimmertüre zu mit den Worten „Weeeg Papa,
Tür zu, alleine pielen (spielen)“. Doch bald schon werden die Zeichen vehementer sein.
Was mache ich dann? Verfahre ich klar nach dem Motto:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Soll ich Junior dauernd zum Schwimmen
schleppen? Mit ihm ein Lernspiel spielen? Irgendwas unternehmen um seine
Entwicklung zu fördern? Ich meine, besser einmal mehr als zu wenig fördern,
oder? Oder sollte ich ihn gerade einfach seine Welt alleine erforschen lassen und ein bisschen mehr wie seine Mutter handeln.
Vielleicht liegt er ja gerade einfach nur auf dem Boden, schaut an die Decke
und macht sich Gedanken über sich selbst und seine Umwelt im Kontext.
Freiräume gehören zur Kindheit
Ja, ich sollte ihn einfach machen lassen, ihn ein Stück weit
sich selbst überlassen und den Freiraum zur freien Entfaltung geben. Ich glaube
einfach, dass es mit Kindern ein Stück weit so ist, wie mit jungen Pflanzen.
Wenn man eine junge grüne Pflanze, die voller Kraft ist und das Leben noch vor
sich hat, überdüngt, dann wird sie sich niemals vollkommen entfalten und
strahlend blühen. Bis er groß ist versuche ich einfach weiterhin ein gesundes
Mittelmaß einzuhalten – zwischen Fördern und Fordern, zwischen Freiraum und
Erziehung. Und ich werde versuchen zu unterscheiden. Die wichtigen Dinge, von
den unwichtigen. Die bildungsspezifischen von den körperlichen und
seelischen. „Die Eltern sind heute
wahnsinnig stolz, wenn ihr Kind mit fünf Jahren rechnen und schreiben kann, und
fragen sich nicht, was denn eigentlich mit dem Rest ist, dem Körperlichen und
Seelischen“, vertritt Gabriele Pohl , Spieltherapeutin und Autorin von
„Kindheit - aufs Spiel gesetzt“, eine klare Meinung.
Da steckt viel Wahres drin. Wenn Junior dann mal „groß“ ist
und zur Schule geht ziehe ich vorsichtig ein erstes Zwischenfazit. Falls da
irgendwas nicht klappen sollte, habe ich immer noch eine
Extrem-Helikopter-Eltern-Waffe in der Hinterhand. Dann schreibe ich Filius’
Klassenlehrer eine böse Email – mit dem Schulleiter in CC. So viel „Sicherheit“
brauche ich dann doch.
Schöner Artikel - und wichtiges Thema! Ist nicht einfach, die Balance zu finden. Aber ich denke, Kinder brauchen unbedingt Freiräume, um sich zu lanweilen, kreativ zu sein, mit Freunden Werte und Regeln zu lernen und sich zu erproben (meine Zwillinge sind schon ein wenig größer :-)
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