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Donnerstag, 22. Oktober 2015

Mein Leben stand 3-fach still - innerhalb eines Jahres

Es ist bereits 3 Jahre her doch die Erinnerungen an damals sind so präsent als wäre es gestern gewesen. In den 3 Jahren ist viel passiert, viel schönes, neues Leben entstand wir bekamen einen Sohn und wurden dieses Jahr mit einer erneuten Schwangerschaft beschenkt. Neues Leben entstand wo altes Leben beendet wurde. Um genau zu sein entstand sogar 3-fach neues Leben. 

Im Jahre 2012 verlor ich 3 geliebte Menschen. Drei Menschen die alles für mich waren, mein Leben, mein Lebenssinn, mein Herz. Innerhalb kürzester Zeit musste ich 3 mal Abschied nehmen, ich musste kämpfen, ich musste weinen, ich musste schreien, ich musste loslassen, ich musste geliebte Hände los- und frei lassen. Ich musste auf 3 Beerdigungen gehen, ich musste lernen damit umzugehen ohne daran zu zerbrechen, ich musste eine Therapie machen die ich wieder abbrach weil es mich zerbrach. Ich musste mich isolieren, ich musste alleine sein, ich musste die Stille ertragen, ich musste sie gehen lassen völlig unvorbereitet ohne mich verabschieden zu können - denn es war bereits zu spät.

Ich konnte mich nicht verabschieden. Ich konnte ihnen nicht ein letztes Mal "ich liebe dich" sagen und ich konnte mich nicht für all die wunderschöne Zeit die ich mit ihnen verbringen durfte bedanken. Ihnen nicht sagen wie schön es mit ihnen war und wie sehr sie mir etwas bedeuten. Ich konnte ihnen  nicht ein aller letztes Mal mein Herz schenken, ausschütten und mitgeben. 

Ich hätte so gerne ein letztes Mal ihre Stimme gehört, ihnen in die Augen gesehen, sie so festes umarmt wie es nur geht, geküsst, über den Kopf gestreichelt, ihre warmen Hände gehalten und ein paar Worte von ihnen gehört. All dies und noch so viel mehr hätte ich gerne erlebt. Es war zu spät.

Ich hatte keinen guten Start in das Jahr 2012. Eine schwierige Zeit lag bereits hinter mir und es sollte nicht besser werden. Im Januar 2012 verstarb meine Oma, mütterlicherseits. Wenn ich mich an den Moment versuche zurück zu erinnern ist alles nur verschwommen. Was ich weiß ist, dass ich einen Anruf meines Vaters bekam, er teilte es mir mit, völlig unvorbereitet und noch nie zuvor erhielt ich solch eine Nachricht, traf es mich zutiefst. Ich war im Schock zustand, eine ganze Weile und ich erlitt einen Nervenzusammenbruch. Mein Freund war sofort für mich da und auch mein Vater kam kurze Zeit später. Ich betäubte sofort meine Nerven und Gedanken mit Tavor. Wollte nichts mehr wissen, nichts spüren, nichts hören und niemanden sehen, den Schmerz nicht ertragen, einfach wegspülen - weit weit weg. Ich war weg, ich war abwesend, ich war betäubt und ich spürte nicht viel - nur so war dies erträglich. Kurze Zeit später fuhren wir ins Krankenhaus, die ganze Familie war bereits da, ich war die letzte die dazu kam doch viel von dem was passierte bekam ich nicht mit. Wir durften uns verabschieden noch an dem Tag, bevor sie die lebenserhaltende Maschine abstellten - für immer. Verabschieden, wenn die Nachricht noch gar nicht wirklich angekommen und verarbeiten werden konnte fiel mir unfassbar schwer. Es erschien mir nicht wirklich, nicht real, nicht begreiflich. Ich war wie gelähmt und noch immer im Schock zustand. Sie war kurze Zeit zuvor zu Weihnachten bereits einmal im Krankenhaus und ich konnte noch mit ihr reden, sie umarmen und ihr sagen, dass ich sie lieb habe, ich konnte mich verabschieden. Ich betrat als letzte das Zimmer und ihr Bett, nicht alleine dafür besaß ich nicht die Kraft. Ich glaube ich musste gestützt werden von links und rechts. Der Anblick geht mir heute nicht mehr aus dem Kopf, es war kein schöner Anblick sie so zu sehen. Die Erinnerungen sind sehr verschwommen. Ich verabschiedete mich, ich umarmte sie, ich küsste sie auf die Wange und Stirn, ich sagte ihr, dass ich sie liebe, ich gab ihr eine Kette von mir mit auf den Weg. An der Kette war ein Edelstein mit einem Schutzengel eingeschliffen, den ich sonst trug. Ich musste gestützt werden, ich wurde gehalten, ich wurde aufgefangen und umarmt. Ich weiß nicht wie ich nachhause kam und wie die nachfolgenden Tage und Wochen abliefen, sie gingen an mir vorüber wie ein Schleier. Aber ich erinnere mich noch sehr genau welches Lied lief als ich die Nachricht am Telefon bekam und welches Lied lief als wir vom Krankenhaus nachhause fuhren, nachdem ich sie das letzte Mal sah - meine geliebte Oma. 


Ein halbes Jahr verging. Es war im Juli 2012. Die Zeit war schwer und noch immer von Trauer, Leere und Schmerz gefüllt. So viele Fragen blieben offen. Meine Gefühlswelt war durcheinander, ich stand still. Es gab wenige schöne Tage und Momente. Mein Mann und ich beschlossen einen Tag in die Therme zu fahren, ohne Handy, nicht erreichbar sein, einfach einen Tag für ein paar Stunden mal abschalten zu können. Ich war jahrelang nicht mehr im Schwimmbad oder der Therme gewesen und hielt dies für eine sehr gute Idee. Einen neuen Bikini kaufte ich mir, dann verbrachten wir den Tag in der Therme. Es war wunderschön, es war ablenkend, ich hatte Spaß, ich lachte wieder, ich war annähernd glücklich, meine Gedanken waren frei, es tat mir einfach unendlich gut. Ich fühlte mich wohl, sicher, geborgen und aufgehoben. Mein Mann war für mich da und gab mir den nötigen Halt, ohne ihn wäre ich nicht mehr aus dem Haus gegangen. Es waren die schönsten Stunden in der Therme seit langem und wir verließen die Therme mit einem guten Gefühl, ein klein wenig Fröhlichkeit schlich sich sogar in mein Gesicht. Im Anschluss wollten wir noch etwas Essen gehen, bevor wir nachhause fuhren. Es war bereits Abend. Vor dem Restaurant stehend klingelte das Handy meines Mannes, ich hatte meines Zuhause gelassen und seines war aus und wurde gerade erst eingeschaltet. Mehrere Anrufe meines Vaters in Abwesenheit. Er war aufgebracht, er war sauer weil er uns nicht erreichte, er machte sich Sorgen. Er teilte mir mit das mein Opa, väterlicherseits im Krankenhaus liegt, es ihm nicht gut ginge und wir ihn heute nicht mehr aber morgen besuchen kommen sollen. Natürlich bestand ich darauf ihn noch am selben Tag besuchen zu wollen aber man sagte mir ich solle erst morgen zu ihm, die meisten Familienmitglieder waren jedoch an diesem Tag bereits bei ihm im Krankenhaus. Mit einem unwohlen Gefühl und den Appetit verdorben machten wir uns auf den Heimweg. Meine Nerven waren völlig am Ende. Der Tag war eine Achterbahn der Gefühle - erst ein Auf und dann ein starker Abfall Hinunter, von 0 auf 100. Die Nacht war grausam, an Schlaf war nicht zu denken ich wollte, dass die Nacht so schnell wie möglich endet um ihn besuchen zu können. Als ich aufstand hatte ich bereits mehrere Anrufe in Abwesenheit auf meinem Handy, von meiner Oma, Mutter, Vater und Onkel. Und einer SMS in der stand, ich solle erst zurück rufen bevor ich ins Krankenhaus zu meinem Opa fahre. Ich rief direkt meine Oma an weil ich dachte wir sollen zu einer anderen Besuchs-Uhrzeit kommen. Mein Onkel ging ans Telefon, das war seltsam denn normalerweise geht meine Oma an ihr Telefon. Er teilte mir mit das mein Opa in der Juli-Nacht verstorben ist. Es traf mich wie ein Schlag und zog mir den Boden unter den Füßen hinweg. Ich verstand nicht was los war und passiert ist, sagte man mir doch am Tag zuvor es sei nichts Schlimmes und ich solle ihn erst am nächsten Tag besuchen kommen. Hätte ich doch nur auf mein Bauchgefühl und mein Herz gehört und nicht auf die leeren Worte der Familie. Es war schlimm und die Situation lässt sich nicht in Worte fassen oder beschreiben. Meine ganze Familie wusste und hat miterlebt wie sehr mich noch immer der Tod meiner Oma belastete, jetzt kam der meines Opas hinzu. Das Fass war so voll das es überlief. Die Familie und auch meine Oma legte mir nahe ihn nicht besuchen zu kommen und nicht persönlich Abschied zu nehmen, sondern ihn so in meiner Erinnerung zu behalten wie ich ihn kenne. Ich hätte dies in 2 Tagen tun können doch entschied mich, auch aufgrund dessen das mich noch immer der Tod meiner Oma so stark belastete, nicht hinzugehen. Es fiel mir unglaublich schwer, es belastet mich noch heute nicht bei ihm gewesen zu sein, und ich mache mir starke Vorwürfe weil ich den Vortag nicht erreichbar war. Weil ich den Tag in der Therme war, ohne Handy. Es belastet mich, dass ich nicht auf mein Herz gehört habe, ihn nicht noch am Vortag besucht habe weil es mir so gesagt wurde. Ich hätte ihn so gerne noch ein letztes Mal in den Arm genommen, ihn geküsst und ihm gesagt, dass ich ihn über alles auf dieser Welt liebe. Mein Opa war mein Herzensmensch und er hatte/hat einen unfassbar großen Stellenwert in meinem Leben. Er war alles für mich zusammen mit seiner Frau, meiner Oma. Meine Oma, sie ist mir geblieben als einzige Bezugsperson die mein Herz und meine Seele berührt. Der Gedanke daran, gibt mir ein klein wenig der Hoffnung zurück die mir genommen wurde. 

Meine Emotionen, meine Gefühle, meinen Körper und mein Herz betäubte ich wieder mit Tavor und anderen Medikamenten, die mir verschrieben wurden. Nur so ertrug ich den Schmerz, die Trauer, die Leere. Um mein Herz kümmerte sich mein Mann rührend - ohne den ich diese schwere Zeit in meinem Leben niemals überstanden hätte. Er gab mir die Kraft, den Halt, die Liebe und die Zuversicht weiter zu machen. Ohne Dich mein Schatz hätte ich das nicht geschafft. Ich liebe Dich und ich danke Dir.

Nur zwei Wochen, nach dem Tod meines Opas später verstarb ein weiterer Mensch in meinem Herzen und Leben.

Mein Leben stand 3-fach still - innerhalb eines Jahres. Meine Welt stand still und mein Herz tat es auch. Wenn ich daran zurück denke und beim schreiben diesen Artikels weinte ich bei jeder Zeile, dass ist gut den Schmerz muss raus. Die Wunde die in diesem Jahr aufriss ist riesig und es bleibt eine Lücke zurück die sich nicht füllen lässt. Es bleibt Trauer und Schmerz zurück und sehr viel Leere. Was bleibt ist die Erinnerung, die Hoffnung, die Freude an das Erlebte und unendlich tiefe Liebe und Dankbarkeit an die wichtigsten Menschen in meinem Leben.



In tiefer Liebe und Dankbarkeit
an meine verstorbene Großmutter *Januar 2012 
meinen verstorbenen Großvater *Juli 2012
und einen weiteren Menschen *August 2012.


Es folgt ein zweiter und dritter Teil.
Verena 


1 Kommentar :

  1. Vielen Dank für die schönen Worte, die du deinen liebsten Menschen hast noch zukommen lassen in Gedanken und dass du sie nie vergessen wirst. Uns ging es dieses Jahr so, innerhalb von 4 Monaten waren wir bei drei Beerdigungen. Aber niemals haben wir uns komplett verabschiedet, nur um den Verstorbenen nochmal zu sehen. Manchen tut es gut, dass habe ich bei meiner Freundin erlebt, die sich von ihrem verstorbenen Mann verabschiedet hat, und sie dann auch noch eine Woche lang, jeden Tag beim Beerdigungsinstitut war und mit ihm gealbert hat, geredet, und einfach nur das Gefühl hatte, es wäre alles wie früher. Vielen Dank für deine schönen Worte.

    lg nancy

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