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Freitag, 17. Juni 2016

Inszeniert und aufpoliert. Für mehr Ehrlichkeit unter Eltern / im Netz.

Kennt Ihr das auch, Ihr seid zu Besuch bei anderen Eltern und alles blitzt vor Sauberkeit, fast so als könne man sich darin spiegeln, keine Krümel, keine Fussel, keine Sachen die irgendwo herum liegen - Nichts? Nichts, also so gar nichts von alledem. Meist liegt auch kein Spielzeug verstreut herum, sondern das ganze Spielzeug ist fein säuberlich angeordnet, so als hätte man sich stundenlang überlegt was wo zu stehen hat? Oft habe ich mir überlegt einfach Mal zu fragen "Und, wie lange hast du saubergemacht?" Nur so zum Spaß, um die Reaktion, die Mimik meines Gegenübers zu sehen, zu spüren. Ich würde meine Frage fortfahren mit "Du, es hätte mir nichts ausgemacht Dein Zuhause so vorzufinden wie es immer ist, ich glaube ich hätte mich darin wohler gefühlt". Wir machen es alle, jeder macht es und ich wette Du ertappst dich soeben auch dabei. Dieser Putzwahn und Wahn alles perfekt machen zu wollen unter Müttern muss endlich ein Ende nehmen, machen wir uns doch nichts vor und sind wie wir sind. Wir hätten so viel mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge - für unsere Familie.

Inszenierung: Unter Inszenierung versteht man das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werkes oder einer Sache.. Im weiteren Sinne kann auch jede andere Form der bewusst eingerichteten Darstellung als Inszenierung bezeichnet werden....Auch heute noch spricht man davon, dass es sich bei einer Theateraufführung um eine „gelungene Inszenierung“ handle. Gelungenheit einer Inszenierung meint heute jedoch nicht mehr so sehr die korrekte, möglichst Werktreue Aufführung eines Stücks, sondern bezeichnet ein allgemeines Lob im Sinne einer „guten Aufführung“. - Quelle Wikipedia

Ganz besonders aber bemerke ich diese Inszenierung unter Bloggern, auf den Blogs und bei Instagram. Gerade bei Instagram, dort habe ich mich erst vor kurzem angemeldet, scheint jedes oder jedes zweite/dritte Bild gestellt zu sein. Besonderes Augenmerk lege ich bei Elternblogs auf die Bilder der Instagramaccounts. Alles ist immer so steril, in Weiß gehalten "halllooo weiß und Kinder, das passt so zusammen wie sich die Zähne zu putzen während man gerade Schokolade isst". Ihr wisst was ich meine oder? Ein Kind was hoch gestylt in mega teuren Klamotten bei der Gartenarbeit hilft, oder irgendwas mit Beeren isst, oder im Matsch spielt. Die Klamotten könnte man im Prinzip danach fast nur wegschmeißen "wenn, ja wenn, sich dieses Kind auch nur irgendwie schmutzig machen würde". Auf diesen Bildern immer keine Spur von Flecken. Die Kinder stehen wie drapiert im Gemüsebeet oder halten irgendwas Cooles zu Essen in der Hand (möglichst so das davon nix auf den Klamotten landet) aber die Eltern welche das Bild mit uns Followern teilen, möchten uns ernsthaft versuchen dieses Bild zu verkaufen. Verkaufen, klar denn jeder Follower und jedes Like, jeder Kommentar zählt in der Bloggerwelt. Durch all die Inszenierung vergisst sich manch einer glaube ich selbst. Ist doch so oder? Kommt das "gestellte" Bild gut an, sieht es gut aus, lacht mein Kind fröhlich auf ihm, passen die Farben der Klamotten des Kindes zu meinem Hintergrund, ist die Anordnung von Hintergrund und dem Fokus des Bildes richtig, jetzt noch kurz still dastehen damit Mama oder Papa auf den Auslöser drücken kann. Bild hochladen, schnell noch einen Text dazu der möglichst eine breite Zielgruppe anspricht = alles richtig gemacht.

Aber Mal ganz ehrlich und unter Uns, wir sind ja hier unter uns und wer liest schon diesen kleinen Blog hier - Sprechen Euch solche gestellten und unpersönlich, nix sagenden Bilder an? Lösen sie in Euch Emotionen aus und glaubt Ihr an die Wahrheit hinter dem Bild? Ich nicht. Ich kann jemanden nicht ernst nehmen der seine Kinder mit Matsch, bunten Farben, Früchten, Essen (das erst bei dem 4. Waschgang wieder aus dem Teil herausgehen würde) ernst nehmen, wenn dass Kind ein sauteures Designer Stück in der Farbe Weiß trägt. Genauso wenig lässt man doch sein Kind nicht in Designerklamotten im Garten spielen oder doch, weil man es sich leisten kann das Teil einfach zu entsorgen und ein neues Teil stattdessen in den Kleiderschrank einziehen zu lassen? Hm, meine Söhne tragen im Garten beispielsweise gefühlt nur Lumpen, weil mir alles andere oft viel zu schade ist und ich selbst früher als Kind das so vorgelebt bekam. Garten = alte Klamotten, die schmutzig werden dürfen und auch sollen. Der Garten steht hier nur als Metapher für alles Weitere wo Kinder sich schmutzig machen könnten und auch sollen. Das ist es doch was Kinder sollen. Sie sollen spielen, sich dreckig machen, ihre Kindheit die sowieso so kurz andauert in vollen Zügen genießen, sie ausleben, frei, wild und Kind sein. Keine kleinen gestellt und hin drapierten Modepüppchen, die von den Eltern an Ort und Fixpunkt, zwischen Piano und aufgeräumte Essecke gestellt wurden. Sieht es bei den wirklich so aus, im gesamten Haus, frage ich mich immer, wenn ich solche Bilder sehe. Blitzblank, immer aufgeräumt, stylisch und nur die teuersten Kinderzimmeraccessoires in Reih und Glied, farblich und vom Muster immer perfekt aufeinander abgestimmt wie die Kinderkleidung eben selbst. Klar, werden die meisten gesponsert. Ohh Aufschrei und welch Erkenntnis. Solche Bilder und perfekt inszenierten Blogs, perfekt inszenierte Familien und perfekt inszenierte Kinder als Einnahmequelle machen mich so verdammt müde und langweilen mich. Sie zeigen nichts von dem Menschen, besitzen keinerlei Persönlichkeit und alles ist gestellt. 

Wir haben alle kleine Fehler und sind damit nicht allein. Was ich mag, sind Menschen die so sind wie sie sind, sich nicht versuchen auf Biegen und Brechen zu verstellen, immer auf der Suche nach dem perfekten Bild. Gestellte und drapierte Bilder kann ich nicht mehr sehen. Bilder die Geschichten erzählen, dass ist es doch was berührt. Ich will mehr solcher Bilder im weiten Netz sehen, Bilder die sich verbreiten, weil sie authentisch sind, die Geschichte die dahinter steht eine ehrliche ist. 

Das erste Mal ungestörte Zweisamkeit alleine mit meinem Erstgeborenen, nach der Geburt seiner Zwillingsbrüder. In Schlabberlook, ein kurzer intensiver Moment so voller Liebe.Unbeobachtet. Nur Wir beide. Nur Du und Ich.

Dieses Phänomen kennt denke ich jeder von uns. Kurz bevor der Besuch kommt noch Mal schnell putzen man will schließlich den besten Eindruck hinterlassen und zeigen, so wie es bei dir aussieht sieht es auch hier aus. Was du kannst kann ich schon lange, so in der Art. Ich wette, jede von uns tut es, jede von uns räumt auf und putzt noch Mal ordentlich das Haus und jede noch so kleine Ecke (die bisher vor sich hin verstaubte) weil man sich nicht für das Chaos schämen möchte. Aber weshalb eigentlich? 
Ist es doch das Chaos was uns gerade so interessant macht. Sollten wir stattdessen nicht etwas toleranter und ehrlicher untereinander sein, unter uns Müttern und Vätern (wobei die Väter eher weniger den Haushalt machen). Staub einfach Staub sein lassen, rumliegendes Spielzeug einfach an Ort und Stelle liegen lassen statt es Stundenlang fein säuberlich anzuordnen oder in ihren Spielzeugkisten verschwinden zu lassen, den Papierkram nicht extra in die unterste Schublade kurzzeitig verfrachten, das Haus nicht parfümieren, polieren, sterilisieren. Es einfach so lassen wie es ist - schließlich erzählt es eine Geschichte, unsere als Familie, die einer jeden Familie. Unser Haus und seine Geschichte, spiegelt unser Leben wieder, unser Familienleben, einfach Uns wieder. Es wäre doch schade um jede dieser Geschichten die in einer der untersten Schubladen verschwindet, quasi ausradiert wird und stattdessen durch etwas Banales wie einem aufgeräumtem Tisch ersetzt zu werden. Denn dieser Tisch, wie er so dasteht, aufgeräumt, blitzblank, leer und steril welche Geschichte mag dieser Tisch wohl noch erzählen? Sicherlich keine von Abenteuer, Freude, von Geborgenheit von sich wohl fühlen, keine von wilden und leisen Zeiten, von verträumten oder verkuschelten, von verschnupften und gestressten. Der Tisch wirkt schlicht und einfach - inszeniert und aufpoliert. Das ist nicht unser Leben, das sind nicht wir.

Für mehr Toleranz und Ehrlichkeit unter Eltern und im Netz. Lassen wir das Theater sein und geben unserem Leben wieder die Hauptrolle. Dafür das wir so sein können und uns trauen zu sind wie wir sind, mit all unseren Macken. Für mehr unaufgeräumte, chaotische Tische, für Staub statt Desinfektionsmittel, für Küchen in denen sich das Geschirr stapelt, für Kinder die voller Dreck von ihrem Abenteuer erzählen, für Spielzeug das unsere Häuser durchflutet, für mehr Häuser die Geschichten vom wahren Leben erzählen, für authentische Bilder/Blogs/Accounts, für mehr Mensch sein statt Schein 

unter Eltern und im Netz. 


Verena

6 Kommentare :

  1. Liebe Verena, wie Recht du hast! Das bezieht sich sowohl auf die Bilder als auch auf die Texte. Du glaubst gar nicht was für eine Abneigung ich langsam gegen die Farbe weiß entwickele. Dabei liebe ich Kinder in weißen Kleidern in der Sonne. Aber die sind dann eben dreckig weiß. In den Texten ist es so ähnlich. Eigentlich läuft bei den meisten immer alles ganz wunderbar gut. Sie streiten nie und sind natürlich nie genervt vom Kind. Sie stehen voll super gerne Nachts fünf mal auf und sind trotzdem morgens frisch geschminkt am sauber aufgeräumten Küchentisch. Und was lernen wir daraus? Wir sind nicht perfekt wie die anderen (oder wie die anderen es uns vormachen) und was lernen wir noch daraus? Wir machen es einfach anders. Und ehrlicher. Und dreckiger :)

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  2. Ich gebe dir absolut recht! Auch wir haben das vor einiger Zeit festgestellt. All die perfekten Bloggerfamilien und Katalogbilder... Wir haben nicht nur darüber gebloggt, sondern auch sog. "Scheißmomente" eingeführt, in denen wir explizit das beleuchten, was nicht so läuft bei uns. Ganz toll finde ich auch die Aktion von 2kindchaos #myrealkitchen das würde dir dann auch gefallen ;)

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  3. Liebe Verena,
    recht hast du.
    Und solche Fotos gibts dann bei mir auf meinem Account: https://www.instagram.com/p/31GLr1Ro-q/?taken-by=blogprinzessin

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  4. Liebe Verena. Ich stimme dir voll und ganz zu!
    Gerade das Aufräumen Zuhause bevor Besuch kommt finde ich selber auch ganz fürchterlich. Mein Mann merkt dann immer wer zu Besuch kommt ;-) Freundinnen die mich kennen wie ICH bin oder andere Freundinnen und Verwandte etc die unsere Ansichten nicht unbedingt teilen und denen Oberflächlichkeit wichtiger ist. Ich (wir) sollte wohl noch mehr an meinem Selbstbewusstsein und an der Selbstliebe und Akzeptanz zu mir bzw verallgemeinert an uns arbeiten :-) Was meinst du?

    Und ich als nicht Bloggerin, die sich kaum damit auskennt, glaube dass das Geld verdienen mit diesen Bildern und ein großer Teil der 'Inszenierung' eine große Rolle spielt. Ich finde es interessant und auch schön und bestärkend viele persönliche Berichte zu lesen aber ich lehne mich mal weit aus dem Fenster,wenn ich behaupte, dass die Konsumgesellschaft damit weiter angetrieben wird und dadurch nur der gesellschaftliche Druck in Form von Stress und vielem mehr erhöht wird. Ein Grund warum viele das Internet meiden.

    Ich bin für den gesunden ehrlichen Mittelweg :-)

    Ich wünsche dir und deinen Männern weiterhin alles Gute!

    Lieben Gruß, Jenny

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  5. Hihi, bei uns wird auch nicht so oft aufgeräumt ;) Und ich glaube, man kann authentische UND schöne Fotos machen, auch wenn mal ein Spukifleck auf dem Ärmel ist, leben und leben lassen, bloggen und trotzdem keine Vorzeigefamilie sein!

    Viele liebe Grüße vom Meer, das schön ist, wo es aber auch mal regnet,
    Küstenmami

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  6. Liebe Verena,

    ja, und nein. Ich räume immer auf, wenn ich Besuch erwarte. Nicht (nur) um ein bestimmtes Bild zu vermitteln, sondern weil ich möchte, dass sich der Besuch bei uns wohl fühlt, und weil ich glaube, dass das in Dreck und Chaos nicht der Fall ist. Ich räume auch so auf, für uns, weil ich mich dann wohler fühle.
    Vielleicht ist das auf Blogs auch so? Also sie zeigen keine Wäscheberge, weil die LeserInnen sie nicht sehen wollen?

    Ich verstehe natürlich, was Du meinst. Ich lese solche Blogs nicht (mehr), weil ich mich nicht mehr vergleichen mag. Das Internet ist ja gross genug, um einfach weiter zu ziehen.

    Liebe Grüße
    Daija

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